Wie die Gruppenjagd im offenen Ozean funktioniert



Bio-News vom 10.07.2023

Berliner Forscherinnen und Forscher haben das Jagdverhalten von Tieren in Gruppen untersucht und dabei festgestellt, dass Tiere im Wasser anders jagen als Tiere an Land. Dies liegt wahrscheinlich auch an dem unterschiedlichen Größenverhältnis zwischen Räuber und Beute.

Am Beispiel der Gestreiften Marline, die zur Familie der Speerfische gehören, konnten die Forschenden zeigen, dass bei diesen Tieren die Motivation beim Aufteilen der Beute eine größere Rolle spielt als die Rangordnung. Zudem tolerieren die großen Fische gemischte Jagden mit Seelöwen.


Gestreifte Marline jagen in der Gruppe einen Schwarm Fische.

Publikation:


Hansen, M.J., Domenici, P., Bartashevich, P., Burns, A. and Krause, J.
Mechanisms of group-hunting in vertebrates

Biol Rev (2023)

DOI: 10.1111/brv.12973



Die gemeinsame Jagd ist eine interessante Ausprägung des Gruppenverhaltens bei Wirbeltieren. Die Vor- und Nachteile liegen auf der Hand: Viele Augen sehen mehr – können also Beute schneller entdecken, und auch die Jagd selbst ist mit vielen Tieren erfolgreicher als allein. Nachteil: Die Beute muss aufgeteilt werden.


Gestreifte Marline bei der Jagd.

Publikation:


Hansen, M.J., Krause, S., Dhellemmes, F. et al.
Mechanisms of prey division in striped marlin, a marine group hunting predator
Commun Biol 5, 1161 (2022)

DOI: 10.1038/s42003-022-03951-3



Die Vielfalt und Komplexität von Strategien der Gruppenjagd sind groß, und man geht gemeinhin davon aus, dass sie hohe kognitive Fähigkeiten von den Raubtieren erfordern. Dank der Fortschritte in der Tracking-Technologie ist es nun jedoch möglich, zu untersuchen, ob die Koordination zwischen Raubtieren nicht vielmehr auf einfachen Faustregeln beruht, die keine hohen kognitiven Fähigkeiten voraussetzen.


Seelöwen profitieren als Beuteparasiten von der Jagd der Marline. (Siehe letzter Absatz)

Während das Jagdverhalten von Spitzenprädatoren wie Löwen, Wölfen oder Orcas bereits gut erforscht ist, richtete das Forschungsteam sein Augenmerk auf Gruppen von größeren Fischen, die gemeinsam kleinere Fische jagen. Dafür untersuchten sie das kollektive Jagdverhalten von Gestreiften Marlinen (Kajikia audax), die zur Familie der Speerfische gehören. Der Gestreifte Marlin wird fast vier Meter lang und bis zum 200 Kilogramm schwer. Charakteristisch ist sein speerförmiger Oberkieferknochen, der im Gegensatz zum Schwert des Schwertfischs nicht flach und scharfkantig, sondern im Querschnitt nahezu rund ist.

Motivation und Hunger statt Rangordnung und Dominanz

Mit hochauflösenden Videoaufnahmen analysierten die Forschenden die Tiere in freier Wildbahn in Baja California Sur im Pazifischen Ozean Mexikos und konnten anhand von Körpermerkmalen einzelne Tiere identifizieren und so ihr Jagdverhalten und ihre Rolle in der Gruppe genau untersuchen.

Bei der Jagd schwammen die Marline in Gruppen um die Beute herum, wobei die einzelnen Tiere abwechselnd angriffen. Die Forschenden fanden heraus, dass der Wettbewerb um die Beute zu einer ungleichen Verteilung unter den Räubern führte: 50 Prozent der am häufigsten angreifenden Marline erbeuteten 70 bis 80 Prozent der Fische. Eine solch ungleiche Verteilung der Beute ist auch von Landtieren bekannt.

Bei den Marlinen lässt sie sich jedoch nicht durch aggressives Verhalten, Körpergröße oder Unterschiede in der Jagdeffizienz erklären. „Wir haben festgestellt, dass Marline, die sich der Gruppe neu anschlossen, im Durchschnitt mehr Zugang zur Beute hatten. Möglicherweise waren diese Tiere besonders hungrig und motiviert zu fressen und konnten sich so gegenüber ihren Artgenossen durchsetzen“, erklärt Matthew James Hansen, Erstautor der Studie, der am IGB und an der HU Berlin forscht.

Im Gegensatz zu vielen Gruppenjägern an Land existiert bei Marlinen keine strenge Hierarchie. Dominanz, Verwandtschaft und soziale Bindungen bestimmen nicht, wer wann und wie lange Zugang zur Beute erhält. Es gibt im Meer in der Regel keinen großen Kadaver, an dem mehrere Tiere nach der Tötung fressen können. „Da es bei vielen kleinen Beutetieren – wie etwa in einem Fischschwarm – kaum möglich ist, einzelne Beutetiere bis zur Sättigung zu monopolisieren, hat sich die soziale Hierarchie als treibende Kraft für die Beuteaufteilung wahrscheinlich einfach nicht durchgesetzt“, erklärt Professor Jens Krause, der die Arbeitsgruppe am IGB und an der HU Berlin leitet.

Räuber-Beute-Größenverhältnis könnte das Jagdverhalten bestimmen

Die Forscherinnen und Forscher vermuten, dass das Größenverhältnis zwischen Räuber und Beute ein wichtiger Einflussfaktor für das unterschiedliche Jagdverhalten bei Wirbeltieren ist. „Bei großen Beutetieren gehen wir davon aus, dass insbesondere die effiziente Auswahl eines Beutetieres aus einer Gruppe und die Eindämmung eines möglichen Stärkevorteils, den das Beutetier aufgrund seiner relativen Größe haben könnte, eine wichtige Rolle spielen“, sagt Jens Krause.

Wenn die Beutetiere jedoch deutlich kleiner sind als die Räuber, wie es bei Fischschwärmen der Fall ist, werden die einzelnen Tiere bereits vor dem Töten unter den Räubern aufgeteilt. In diesem Fall ist die Gruppenjagd vor allem vorteilhaft, um die kollektive Verteidigung der Beute zu überwinden und die Manövrierfähigkeit zu erhöhen.

Seelöwen profitieren als Beuteparasiten von der Jagd der Marline

Doch nicht nur Gruppen von gestreiften Marlinen machen Jagd auf Fischschwärme im offenen Ozean, manchmal schließen sich ihnen Seelöwen an. Diese profitieren von der Fähigkeit der Marline, die Beute aufzuspüren und an die Wasseroberfläche zu treiben. Bei dieser gemischten Jagd isolieren die Marline zuerst einen kleinen Schwarm und treiben ihn an die Wasseroberfläche. Dann können auch die Seelöwen angreifen. Dabei sind die Seelöwen erfolgreicher als die Marline. Doch obwohl die Seelöwen den Zugang zum Beute-Schwarm dominieren und den Marlinen den Zugang erschweren, reagieren die Marline nicht aggressiv auf die mitjagenden Seelöwen. "Obwohl es viele Unterschiede in der Art und Weise gibt, wie die Gruppenjagd im offenen Ozean funktioniert, scheint Beuteparasitismus ein wichtiger Faktor zu sein, genau wie an Land", sagt Matthew James Hansen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischenrei (IGB) via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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